Wie erkennen wir, ob die Interaktion zwischen einem Menschen und einem Objekt gut funktioniert? Meistens dadurch, dass sie nicht unbedingt als solche auffällt. Denn eine gute User-Experience wirkt oft im Hintergrund. Zuverlässig und unterbewusst. Nicht nachdenken – sondern einfach machen.
Nehmen wir an, ich stehe vor einer verschlossenen Tür. Rechts neben ihr befindet sich ein Schalter. Ich probiere ihn aus und finde heraus, dass sich die Tür per Knopfdruck öffnen lässt. Klick – geschafft. Nun stehe ich vor einer weiteren Tür. Auch hier sehe ich rechts neben dem Türrahmen einen Knopf. Also gehe ich davon aus, dass sich die Tür ebenso per Knopfdruck öffnen lässt. Ich vertraue meiner Erfahrung. Ich drücke also auf den Schalter. Aber: die Tür öffnet sich nicht – stattdessen geht ein Licht an. Diesmal ist der Knopf kein Türöffner, sondern ein Lichtschalter. Habe ich was falsch gemacht? Gibt es einen zweiten Knopf? Was ist zu tun? Und wie geht jetzt eigentlich die Tür auf? Unsicherheit und Frustration entstehen. Das ist dann der Punkt, an welchem mir eine negative Erfahrung als solche auffällt. Es passiert nicht (mehr) intuitiv. Von der unterbewussten Reibungslosigkeit zum irritierenden Bruch.
Sobald Nutzer:innen verwirrt sind, ihnen unklar ist, was zu tun ist oder keine Konsistenz im Umgang mit dem System erkennbar ist, können wir von einer schlechten User-Experience sprechen. Denn das Ziel einer guten UX ist immer ein benutzungsfreundlicher, intuitiver Umgang mit dem System. So viel dazu, aber was genau bedeutet eigentlich UX?
UX Design steht für User-Experience-Design. Oft wird es mit UI, dem User-Interface-Design, verwechselt, auch wenn beide Bereiche meistens Hand in Hand gehen. UI-Design betrifft das sinnvolle und ästhetisch visuelle Erscheinungsbild einer Benutzungsoberfläche, während die UX sich mit den Interaktionen zwischen User und dem System befasst. Das heißt: Das Ziel der Benutzung und der Weg, der dahin durch das System führt, sollen durch eine gute User-Experience idealerweise selbsterklärend sein. UX-Design bedeutet deshalb auch, die Umgebung an die Menschen anzupassen – nicht das Verhalten der Menschen passend zum System beeinflussen zu wollen. Eine Herangehensweise, die lange bevor es den Begriff UX gab, bereits erprobt und eingesetzt wurde.
Das heutige Verständnis von UX wurzelt mitunter in der Ergonomie. Und diese lässt sich bis ins antike Griechenland zurückverfolgen. Beispielsweise findet sich eine detaillierte Beschreibung von Hippokrates darüber, wie ein Operationstisch während eines chirurgischen Eingriffes aufgebaut sein soll. Im Fokus dabei steht eine sinnvolle Aufteilung des Raumes, so wie eine praktische Anordnung der Instrumente. Ziel war es, dass ein:e Chirurg:in die Arbeit reibungslos und ohne Unterbrechungen erledigen kann. Schon hier merken wir: Es ging darum, die Umgebungsbedingungen an den Menschen und seine Bedürfnisse anzupassen.
Der Begriff „UX Design“ findet seinen Ursprung im Kalifornien der 1990er-Jahre. Kognitionspsychologe und Gestalter Don Norman prägte den Begriff. Mit seinem Bestseller „The Psychology of Everyday Things“ trug er das Thema Nutzungsfreundlichkeit in die Welt hinaus. Außerdem hatte er bereits in den 90ern in seiner Anstellung bei Apple den Job-Titel „UX Architect“. Seitdem ist viel passiert. UX-Design lässt sich mittlerweile sehr häufig in der Entwicklung digitaler Produkte finden. So let’s dive in.
Im digitalen Umfeld fällt eine gute User-Experience ebenfalls nicht unbedingt als solche auf. Nehmen wir als Beispiel ein Online-Formular. Wir alle kennen das. Ich fülle sämtliche Felder aus, ein ohnehin mühsames Anliegen. Ich möchte das Formular absenden. Doch was, wenn ich einen Fehler in meinen Eingaben habe? Ziemlich nervig, wenn mir das erst mitgeteilt wird, nachdem ich auf “Senden” geklickt habe. Wenn es gut läuft, scrolle ich hoch und sehe, in welchem Feld der Fehler lag. Im schlimmsten Fall wurden alle meine Eingaben gelöscht – ich muss das ganze Formular neu ausfüllen.
Diese wenig nutzungsfreundliche Bedienung fällt mir auf. Weil ich davon genervt bin. Es ist also viel sinnvoller, mir während der Eingabe direkt im Feld eine Fehlermeldung aufzuzeigen, sodass ich diesen direkt beheben kann: ohne das passende Feld suchen zu müssen oder alle Eingaben erneut zu tätigen. Ein direktes Error-Feedback an dem bestimmten Eingabefeld mag zwar nur eine kleine Interaktion sein, trotzdem bringt diese einen großen Mehrwert für die User mit. Und wie sieht eine erfolgreiche UX im Kontext eines gesamten digitalen Produktes aus?
Den eigenen Musikgeschmack erweitern. Neue Songs passend zum eigenen Musikgeschmack entdecken. Spotify ist Meister im Gestalten einer neuen und erfolgreichen Music-Experience. Features wie das Songradio unterstützen die User dabei, passende Musik zum eigenen Geschmack zu finden, ohne dass manuelles Suchen erforderlich ist. Ebenso die Erweiterung von Playlists. Wenn ich meine Playlist zu Ende gehört habe, hört die Musik nicht einfach auf zu spielen: Im Anschluss werden zur Playlist passende Songs abgespielt, die ich einzeln hinzufügen kann. Eine simple, aber sinnvolle UX-Spielerei.
Auch die Usability von dem "Produkt" Spotify ist auf die User-Needs angepasst. Das fällt beispielsweise bei der Trennung zwischen Podcasts und Musik auf. Audio ist nicht gleich Audio; und so werden sie innerhalb von Spotify getrennt behandelt. Angefangene Podcasts werden auf dem Homescreen als Schnelleinstieg angezeigt, sodass ich dort weiter hören kann, wo ich den Podcast zuletzt abgebrochen habe. Und weil es für angefangene Songs wenig sinnvoll wäre, gibt es dieses Feature für Musik nicht.
Die Musikverwaltung ist genauso auf die Bedürfnisse der User abgestimmt und einfach und verständlich gehalten: Drag-und-Drop-Funktionen, um die Reihenfolge von Songs in der Warteschleife zu ändern. Einfaches Hinzufügen und Entfernen von favorisierten Songs. Sogar die Möglichkeit, die Musik von bestimmten Künstler:innen “zu blockieren”, ist gegeben: Wenn ich von bestimmten Künstler:innen keine Songs hören möchte, kann ich das einfach einstellen. Und besagte:r Künstler:in hat keine Chance, zum Beispiel in meinem Mix der Woche zu landen. All das und vieles mehr sorgt für die einzigartige User-Experience von Spotify. Und welche Erkenntnisse nehmen wir daraus mit?
Egal ob App, Website oder digitale Plattform – ein digitales Produkt kann nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn es Menschen gibt, die es nutzen werden. Das Produkt soll eine bestimmte Zielgruppe erreichen und deren Anforderungen an die Benutzung erfüllen. Wenn User ihr Verhalten zugunsten des Produktes und zulasten ihrer Bedürfnisse ändern müssen, ist keine erfolgreiche UX entstanden. Deshalb ist UX-Design aus dem Prozess der digitalen Produktentwicklung nicht wegzudenken. Dass ein System intuitiv und eindeutig zu nutzen ist, kann nur erreicht werden, wenn die Zielgruppe verstanden wird – und die Bedienung des Systems an ihre bestimmten Needs und Pain-Points angepasst wird. Und das lohnt sich immer – versprochen. :-)