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Exploring Digital Future. Together.
24.08.2022

Warum die Zukunft Headless ist

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Technology
Part 2

Es hat sich einiges getan in der Welt der Software-Anbieter. Vorbei sind die Zeiten, in denen wenige Monolithen die Software-Landschaft dominiert haben und die wir in diesem Seek + Find Artikel diskutiert haben. Es gibt immer mehr wunderbare Einzellösungen, die in den meisten Fällen besser sind, als ein All-in-One-Lösungspaket. Was bedeuten solche Headless-Lösungen für Unternehmen und die Software-Entwicklung? Dass man sich nun von allem das Beste aussuchen kann – und es zusammen innerhalb eines Systems flexibel miteinander verbindet.

Mehr als nur ‘ne Website

Die Art und Weise, wie Menschen mit digitalen Anwendungen interagieren, hat sich fließend, aber radikal verändert. Websites sollen nicht mehr nur ein Bündel von statischen Seiten sein. Sie können zu digitalen Erlebniswelten mit personalisierten Elementen werden, die auf User-Flows optimiert, durch Daten gesteuert und mit künstlicher Intelligenz angereichert sind. 

Viele Unternehmen sehen dieses Potenzial und machen daher den digitalen Raum zur strategischen Priorität. Doch die breiten Ansprüche und Anforderungen kann meist kein Hersteller allein erfüllen. Vor allem nicht dann, wenn sich Zielsetzungen und Lösungsansätze laufend verändern (müssen). Aus diesem Grund benötigt jede moderne Website, beziehungsweise jede Web-Applikation, ein maßgeschneidertes Setup, was den Anforderungen der Mitarbeitenden, Partner:innen und Kund:innen gerecht wird. 

Hinzu kommt, dass Endgeräte und (zukünftige) Touchpoints einem stetigen Wandel unterliegen. Um diesen wechselnden Ansprüchen gerecht zu werden, benötigt es höchstmögliche Flexibilität, Stabilität und Skalierbarkeit. Diese Herausforderungen sind alle kein Problem für Headless- und Decoupled Enterprise-Content-Management-Systeme.

Headless ist nicht gleich Headless

Headless ist alles andere als “kopflos”. Denn Headless ist die Zukunft. Als Headless Systeme werden entkoppelte Content-Management-Systeme bezeichnet, die Backend und Frontend voneinander trennen. Die Systemarchitektur ist – anders als bei monolithischen Systemen – nicht etwa starr, sondern flexibel. Das heißt: Man kann mittels Schnittstellen benötigte Services und Datenquellen anschließen und später austauschen oder erweitern. 

Doch Headless ist nicht gleich Headless. Auch wenn der Begriff nicht geschützt ist, ist es natürlich nicht ausreichend, eine API in ein monolithisches System zu integrieren und dann das Produkt “Headless” zu nennen. Es sind nicht die Schnittstellen, die Headless-Systeme ausmachen, sondern vielmehr die gesamte Systemlandschaft mit all ihren Eigenschaften und Vorteilen. 

Nur den besten Service, bitte.

Durch den Paradigmenwechsel in der Softwareentwicklung – weg von monolithischen Systemen – fand in den letzen drei bis vier Jahren eine rasante Weiterentwicklung von Cloud- und SaaS-Lösungen statt. SaaS steht dabei für “Software as a Service”. Und wie Wikipedia zusammenfasst, basiert SaaS “ auf dem Grundsatz, dass die Software und die IT-Infrastruktur bei einem externen IT-Dienstleister betrieben und vom Kunden als Dienstleistung genutzt werden”.

Das heißt: Immer mehr spezialisierte SaaS-Lösungen erobern Nischen und stellen Speziallösungen bereit, die genau ein Problem adressieren und lösen. Und genau das ist es, was diese Lösungen so interessant macht. Zwar gibt es nach wie vor Big-Tech-Companies wie Google oder Microsoft, die viele verschiedene Lösungen haben, die alle (reibungslos) zusammenspielen. Die SaaS-Innovatoren hingegen sind meist auf ein Kerngeschäft fokussiert und oft sogar Marktführer in ihrem Bereich. Zu diesen “Best-in-Class”-Anbietern gehören Algolia, Contentful, Commercetools, Stripe, Cloudinary, Uniform und Hubspot, um nur ein paar zu nennen. Monolithen und Legacy-Tech-Companies, mit ihrem generalisierten Funktionsumfang ohne Spezialfähigkeit, haben da oft das Nachsehen.

Headless = Schnell, flexibel und zukunftssicher

Wer Technologien heute entwickeln lässt, will sie auch morgen noch nutzen. Und auch übermorgen. Dank der vielen unterschiedlichen SaaS-Lösungsanbieter können heute maßgeschneiderte DXPs (Digital Experience Plattformen) für Unternehmen bereitgestellt werden, die auch mit den Anforderungen der Zukunft mitwachsen können. 

Über die Microservice- und API-Architektur ist es möglich, dass die Lösungen miteinander kommunizieren und Daten austauschen. Und speaking of Austauschbarkeit: Auch die Anbieter selbst bleiben austauschbar. Durch diese Flexibilität können Unternehmen leichter auf neue Rahmenbedingungen reagieren und Partner ersetzen oder neue Cloud-Anbieter hinzufügen, die den Stack ergänzen. Für den Betrieb des Systems entstehen übrigens – anders als bei monolithischen Systemen – keine Wartungs- und Upgrade-Kosten. Denn da die Lösungen Cloud-basiert sind, ist die Maintenance Teil der Leistung des jeweiligen SaaS-Anbieters.

Dank Headless ist es außerdem möglich, sehr schnell Lösungen zu entwickeln – und zwar aus zwei Gründen: Zum einen kommen die Systeme mit einem großen Koffer an vordefinierten, funktionsspezifischen und immer aktuell gehaltenen Standards, auf die Out-of-the-Box zugegriffen werden kann. Zum anderen bestehen durch die abgetrennte Systemlandschaft weniger komplexe Abhängigkeiten. So kann an diversen Bestandteilen gleichzeitig gearbeitet werden. 

Beides ermöglicht es, einen MVP innerhalb kürzester Zeit bereitzustellen und zu implementieren. Wenn man früher von Jahr(en) Entwicklungszeit gesprochen hat (innerhalb welcher sich gemäß der Dinge oft Kundenbedürfnisse, Touchpoints und Endgeräte ändern), kann heute innerhalb weniger Monate ein MVP entstehen. Und in kleinen Iterations-Schritten weiterentwickelt werden.

Mit APIs zu neuen Geschäftsmodellen

Mit den API-basierten Systemen haben Unternehmen außerdem die Chance, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Denn dank der offenen Systeme besteht die Möglichkeit, Dritte anzubinden und Daten systemübergreifend zu nutzen. So können verschiedene Daten wie Bilddateien, Lagerbestände, Kundendaten, Geschäftsprozesse an verschiedenen Kanälen ausgespielt werden. Das betrifft nicht nur verschiedene Endgeräte, sondern auch unterschiedliche Touchpoints wie z.B. Apps, IoT-Geräte, Marktplätze, Social Commerce und weitere Kanäle.

Wenn die angebundenen Systeme auch noch zusammenarbeiten sollen, so ist das durch eine eigene Middleware und Business-Logik möglich. Diese wiederum stellt dann aus den unterschiedlichen Systemen wie PIM, CMS und DAM Informationen für ein E-Commerce-System bereit. Hierbei werden die Daten in Echtzeit zur Verfügung gestellt. So wird keine nächtliche Synchronisation oder kein FTP-Upload mehr benötigt. Zudem kann sichergestellt werden, dass es nur noch einen Single-Point-of-Truth gibt.

Moderne Frontends: Verfügbarkeit und Sicherheit in Echtzeit

Moderne Frontends – das ist die Sprache, in der wir heute im Web, im besten Fall plattformunabhängig, mit den Kund:innen kommunizieren. Progressive Web Apps, kurz PWAs, sorgen dafür, dass die Webseite im Browser des Clients geladen wird und alle relevanten Daten hier verarbeitet werden. Alle Daten und Medien werden erst dann abgerufen, wenn sie tatsächlich benötigt werden. Der Austausch der Daten passiert in Echtzeit. Das bedeutet z.B. für einen Onlineshop: Sollte ein Produkt innerhalb weniger Sekunden ausverkauft sein, kann das direkt im Client kommuniziert werden, was für eine bessere Customer Experience sorgt. 

Wenn die Verfügbarkeit auch international gegeben sein soll, empfiehlt es sich, die Frontend-Anwendung bei einem Cloud-Anbieter zu hosten. Die darauf spezialisierten Hosting-Anbieter sind in der Regel günstiger und verfügen über ein weltweites CDN-Netzwerk, was wiederum den großen Vorteil der kurzen weltweiten Ladezeiten mit sich bringt.

Und auch in Punkto Sicherheit können Headless-Systeme punkten: Denn sie bieten weniger Angriffsvektoren. Sollten z.B. Backend-Systeme ausfallen, steht das Frontend trotzdem noch zur Verfügung. Mag sein, dass die Informationen kurzfristig veraltet sind; aber nach Wiederherstellung der Verfügbarkeit der Backends können die Systeme die Daten wieder aktualisieren.

Der heilige Gral? Realtalk über Nachteile von Headless

Bei all den gezeigten Vorteilen könnte man meinen, man könne nichts falsch machen, wenn man sich als Unternehmen dazu entscheidet, auf Basis von Headless eine innovative Lösung zu entwickeln. Aber wir wollen auch die Schattenseiten beleuchten. Einige Nachteile sollte man kennen und bei der Entscheidung für ein Headless CMS abwägen (auch wenn diese sicherlich auf alternative Systeme zutreffen können).

1. Datensicherheit und Standards

Viele der innovativen Lösungen kommen aus den USA oder wurden in erster Linie für den homogenen US-Market entwickelt, welcher andere Standards als unser europäischer Markt hat. Aus diesem Grund sollte bei der Auswahl der Cloud-Lösungen unbedingt und immer berücksichtigt werden, wo die Daten gespeichert werden. Und zwar auch, wenn nicht nur sensible Firmen- oder Kundendaten im System verarbeitet werden. Zudem setzt der US-Markt meist vollkommen andere Standards voraus, die nicht immer zu unserem europäischen Markt passen. 

2. Startups, Pricing und Licensing

Viel Geld ist in den letzten Jahren in den Tech-Markt geflossen. Dies hat uns eine Riege an innovativen Unternehmen beschert, die nur ein Ziel haben: Schnelles Wachstum durch kurzfristige Innovationen und günstige Preise. Die Unternehmen wachsen rasant und sind aufgrund der Investitionen oft zunächst nicht darauf angewiesen, am Ende des Jahres Gewinne zu erwirtschaften. Irgendwann kommt aber jedes Unternehmen an den Punkt, an dem es profitabel sein muss. Spätestens nach dem IPO müssen auch Gewinne vorgewiesen werden, wenn das Wachstum stagniert. Daher sollte immer berücksichtigt werden, dass Lizenzkosten kurzfristig und dramatisch erhöht werden können. Oder sogar, dass Software-Startups nicht mehr existieren beziehungsweise an einen Wettbewerber mit einer anderen Produkt-Vision verkauft werden. Auch große, etablierte Software-Player wie Microsoft und Oracle haben die letzten Jahre begriffen, dass sie einen großen Nachholbedarf haben. Für 7.5 Milliarden US-Dollar hat beispielsweise Microsoft Github gekauft. Aus der Vergangenheit wissen wir aber, dass Microsoft bereits bei vorhandenen Softwareprodukten seine Strategie verändert hat – und für einige Kund:innen die Software im Anschluss nicht (mehr) brauchbar war. Zwar entstehen durch Headless-Lösungen weniger starre Abhängigkeiten, trotzdem fallen Aufwände an, um Systeme auszuwechseln.

3. Backups

Cloud-Native Applikationen sind in der Regel gut versioniert und sichern Daten von Haus aus. Trotzdem sollte auf eigene Backups nicht verzichtet werden. Deshalb sollte ein Teil der Backup-Strategie die Sicherung der wertvollen Unternehmensdaten in Cloud-Applikationen mit beinhalten.

4. SLA, Support, API Response Time, Uptime

Wenn die Server nicht mehr vom eigenen Unternehmen gemanagt werden und man diesen Bestandteil an einen Cloud-Anbieter auslagert, sollte man darauf achten, dass der Cloud-Anbieter über ordentliche SLAs verfügt, sauberes Uptime-Monitoring betreibt (da lohnt sich immer ein Blick rein, stimmts Personio?) und dass die Daten weltweit schnell bereitgestellt werden.

5. Eine Oberfläche vs. viele Oberflächen

In großen Unternehmen gibt es unterschiedliche Teams, die an Webprojekten arbeiten. Diese sind es gewohnt, innerhalb einer Software-Oberfläche zu arbeiten. Gerade mittelständische Unternehmen, die zuvor mit einer monolithischen Software-Suite gearbeitet haben, die quasi alle Funktionen in einem Software-Produkt vereint hat, müssen sich daran gewöhnen, für die unterschiedlichen Aufgaben in unterschiedlichen Oberflächen zu arbeiten. 

Abschließende Gedanken zu Headless Systemen

Trotz der genannten Nachteile, die Headless und Decoupled Systeme mit sich bringen, sind wir überzeugt, dass die Vorteile von Headless Systemen deutlich überwiegen. Die überholten Legacy-CMS und monolithischen Systeme können den Ansprüchen von innovativen und agilen Unternehmen kaum mehr gerecht werden.  

Viele Unternehmen, die heute nach einer neuen DXP, E-Commerce- oder CMS-Plattform suchen, machen dies, weil sie mit ihrer aktuellen Lösung an ihre Grenzen stoßen. Und kluge Entscheider:innen wissen, dass eine Neuplattformierung (Replattforming) nicht nur den Status Quo aufrechterhalten, sondern Optionen für die Zukunft bieten sollte. 

Wachsende Marken und Unternehmen benötigen Technologien, die die Bereitstellung von digitalen Erlebnissen unterstützen und beschleunigen – und somit dabei helfen Kund:innen, Lieferanten und Partner zu gewinnen und zu binden. Deshalb lohnt es sich, mit den Vorteilen von Headless Systemen auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen – und Content Plattformen für die Zukunft zu entwickeln.